Freitag, 27. Februar 2015

Tätiges Erkennen



Nach der Erkenntnis kommt die Tat.
Ohne Tat geht die Erkenntnis wieder.

Wer ich bin




Wenn ich mich vorstelle, sage ich sehr oft: „Ich bin Judith Schreiter.“ Doch was heißt das? Es ist ein Name – bin ich ein Name? Dann war ich für viele Jahre ein anderer Mensch als früher oder als jetzt, denn ich hieß ja über 20 Jahre Judith Kohlmeyer.

Selbstverständlich ändere ich mich und etwas werden auch unterschiedliche Namen mit mir machen. Zuerst einmal zeigen sie an, welcher Sippe ich zugehöre.

Lasse ich den Nachnamen weg, bin ich dann allein? Oder nur mir gehörend?

Manchmal sage ich über mich: „Ich bin Aikido-Lehrerin.“ Bin ich das? Oder ist es nur eine Bezeichnung für die Tätigkeit, mit der ich mein Leben fülle, so wie als Schriftstellerin, als Partnerin, Mutter. Ich fülle mein Leben mit essen, trinken, ausscheiden, schlafen, lieben oder sauber machen. Doch ich sage nicht: „Ich bin Esserin“ oder „Trinkerin“ - Letzteres würde zu schiefen Schlüssen führen. Ähnlich, wenn ich mich als Ausscheiderin bezeichnete - das Gesundheitsamt würde mich sofort in Quarantäne stecken. Und wenn ich mich als „Schläferin“ betitele, habe ich dann den BND auf dem Hals, würden Stasi-Akten wegen mir gewälzt?

Wer also bin ich und was äußere ich darüber? Sobald ich sage: „Ich bin die oder dieses“ identifiziere ich mich damit. Vielleicht sollte ich bei meiner nächsten Vorstellung sagen:

„Ich heiße Judith Schreiter und - ich bin“.

Samstag, 21. Februar 2015

Waffenübergabe



Er schlendert den Berg hinunter und winkt mir aus der Ferne zu. Schon oft dachte ich, er würde mich besuchen kommen - der alte Frieden. Doch stets lief er an meinem Haus vorbei. Mehrfach rannte ich ihm nach und einmal erreichte ich ihn sogar. Ich lud ihn zu mir ein. Er nickte: „Gern“, sagte er, „später, wenn du für mich bereit bist.“ Er verschwand.
Ich verstand ihn nicht. Warum sollte ich nicht bereit sein für ihn? Ich warte schon so lange und außerdem - wenn er zu mir kommt, sind alle Kriege und Kämpfe automatisch vorbei! Und wieder sah ich ihn immer wieder nur aus der Ferne.
Jetzt erst recht, dachte ich und wurde zur Kämpferin. Doch beim Kampf lernte ich, die Kriege in mir zu sehen und zu beenden. Ich erkannte die Waffen, die ich stets mit mir führte und gegen andere benutzte.

Ich fand:
die Messer in meinen Reden,
das Giftgas, welches sich aus meinem Schweigen erhob,
ätzende Lauge falscher Tränen.
Fäuste, die meine Hände schnell formten.

Jetzt liegen alle Waffen offen und bereit zur Übergabe.
Wird der Frieden heute zu mir kommen?

Freitag, 13. Februar 2015

Jahresringe


Nicht Jahresringe machen den Baum zum Baum
Nicht Lebensalter bestimmt, ob du Mensch bist.
Erst, wenn du gefällt bist, wird klar,
aus welchem Holz du geschnitzt warst.


Illustration von Thomas Scherl

Wortheiler

Ich bin mir sicher, dass Worte heilen
Schließlich können sie auch verletzen,
zerfetzen Einem oft das Innerste
dass sich Gedärme kräuseln und die Knie
nur noch vom Weich-Werden säuseln
saust der Blutdruck in den Keller,
schneller wird’s dunkel, nein - schwarz vor den Augen.
 

Darum taugen die Worte auch zum Heilen
sie dürfen nur nicht von Kopf zu Köpfen eilen
sondern verweilen – im Herz und im Bauch und
auch von dortaus gesendet werden
entfernen müssen sie sich vom Verstand,
der verbannt sie nur in den Kerker der Logik und
Pädagogik, berechnet Worte mit kaltem Sinn.
 

Aber im Bauch nähren sie sich mit herzlichem Versteh‘n
nicht aus Verseh‘n gescheh’n
verbinden sie verwundete Seelen, füllen Leeren
und lehren Synapsen, neue Weichen zu stellen
stellen sich kranken Gedanken in den Weg,
stehlen ihnen die Zeit und den Raum
räumen auf mit vergangnen Vergehen
versehen Verstaubtes mit frischem Wasser

und schneiden Geschwüre haarscharf heraus
dass die nicht mehr eitern können, 
keine Brandherde mehr, 
jetzt mehren sich glühende Liebesideen
gehen bedachtsam in vielen Runden bis zu den Händen
die Fremden und Freunden sich selbst hinreichen
zum Zeichen des Friedens und des Gesundens.

Freitag, 6. Februar 2015

Auf der hellen Seite

Heil werden, nicht mehr zerissen oder notdürftig zusammengeflickt, so dass bei der kleinsten Belastung wieder eine Naht aufgeht und Teile von mir herausfließen. Ein Traum! Ja- und? 
Alles begann mit Träumen von irgendetwas. Wir Menschen sind als Träumer geboren, denke ich. Ausheilen beginnt bei mir in der Art, wie ich jeden Tag auf die Welt blicke, auf die Menschen, die Landschaft, auf mich. So baue ich mir meine Welt und schaue sie mir schön. 
Unrealistisch? Ich soll mal meine rosarote Brille abnehmen? Warum, ich habe sie erst vor kurzem aufgesetzt, vorher gab es nur die mit den schwarzen Gläsern. Als die mir nach vielen Jahrzehnten des Tragens kaputt gingen, gab es nur noch Rosarote, die Dunklen waren ausverkauft. 
Ich entschied mich, nach einem Halbjahrhundert Schwarz-Sehen, für's nächste  Halbjahrhundert Leben Licht zu schauen. Sozusagen als Ausgleich. Und so will ich in meinem Blog der hellen Seite der Macht huldigen, auf dass es für kurze Zeit warm wird, die Schatten ihre Kraft verlieren.

Aphorismus: 
Menschen sind wie ungeschliffene Diamanten.
Reiben sie sich aneinander,
bekommt das Licht einen Spiegel.