Jeder Mensch macht doch
wenigstens hin und wieder seine Wohnung sauber. Es wird aufgeräumt, auch einmal
entrümpelt, unter den Betten Staub gesaugt, hinter den Schränken die Spinnweben
weggefegt und auch einmal unter dem Teppich geschaut, ob da nicht unliebsame
Mitbewohner leben.
Ähnlich verhalten sich die
meisten Menschen ihrem Körper gegenüber. Er wird gereinigt, gepflegt, mit
Kleidung geschützt, hin und wieder ganz nackt gelassen, um ihn in der Sauna, in
der Sonne oder im Wasser von allem Überflüssigen zu befreien. Es wird auch
gefastet, entschlackt, entsäuert und was es an gesundheitlichen Finessen noch
so alles gibt. Auch Ruhe wird ihm gegönnt.
Nur im ureigensten Oberstübchen
gibt es keine Säuberung; kein Subotnik wird anberaumt. Hier sind fast alle
Menschen Messis. Kein Gedanke wird als überholt oder veraltet wahrgenommen, erst
recht nicht hinausgeworfen. Alle Denkmuster werden gehortet, gestapelt oder
einfach übereinander geworfen – so dass es nirgends einen Überblick gibt,
welche Idee mit welchem Gedanken anbandelt, und dann Ungeheuer, Parasiten oder
wunderschöne Blumen zeugt. Im menschlichen Gedankenhaus herrscht nicht etwa
Anarchie – das wäre ja schon wenigstens etwas. Da hätte jeder Gedanke einmal
die Möglichkeit, an die Macht zu kommen; zwar unkontrolliert doch wenigstens
ohne die fette Tante Gewohnheit. Nein, ein scheinbares Chaos wird von den Lieblingen
der Gewohnheit regiert, sie hängen an ihren Strippen wie Marionetten und tanzen
nach ihrer Melodie. Weil nie aufgeräumt wird, keinerlei Ordnung geschaffen,
weiß auch kaum ein Mensch um die Gedanken im Untergrund.
Wenn ein Mensch gut ist, weiß er
wenigstens, was im 1. Stock gedacht wird. Aber schon im Erdgeschoss sind die
Fensterläden zu, die Türen fest verschlossen und im Keller ist es zappenduster.
Hinter schwergängigen Eisentüren werden die dümmsten Ideen gelagert, dümpelt
Geistesgut griesgrämig vor sich hin, Grübeleien graben tiefere Gedankengänge
aus denen es kein Entrinnen gibt. Nichts mit Gedankenflügen, denn die Flügel sind
verstaubt und entkräftet vom Umherliegen.
Mit den Jahrzehnten so eines
Menschenlebens versiffen die Ideen. Aus Phantasie und Bildung werden Hirngespinste,
die jeden Nerv umgarnen. Aus dem Oberstübchen verklingen die Signale, der Geist
ist umnachtet, der Körper verfällt. Es sind schicke Namen für diese Vorgänge
entwickelt worden – Alzheimer, Depression, Morbus Parkinson, Alterssenilität
usw.
Hygiene wird in deutschen Landen
riesengroß geschrieben und ist in Maßen eine feine Sache, wenn sie an verschiedenen
Orten eingesetzt und so auch wieder maßvoll werden würde. Ab in die Köpfe mit
Staubsauger, Wischeimer und Mülltonnen davor gestellt: die Lumpen in den Müll,
Verrottetes auf den Kompost, Lüften und Entstauben. Alle Türen öffnen, Räume
für einzelne Gedankenwelten klar machen und nur keine Regale oder Schränke aufstellen.
Gedanken veralten schneller als Socken oder Schlüpfer, die brauchen gar nicht
erst lange eingelagert werden. Und künftig kann dann jeder regelmäßig allen
Stockwerken seines Oberstübchens konkrete Besuche abstatten, sich mit dem
auseinandersetzen, was da so gedacht wird und gleich wieder Freiräume schaffen.
Gut, gut – ich weiß, ich bin eine
Träumerin. Aber bei mir selbst kann ich ja schon einmal mit diesem
Aufräum-Traum anfangen, ihn entträumen und als Tat sichtbar werden lassen. Und
weil ich das bereits einige Jahre betreibe, kann ich manchmal schon drei
Schichten mit einem Mal beaufsichtigen. Ich weiß, was im Untergrund gedacht
wird, während dessen ich zum Beispiel mit Zähneputzen beschäftigt bin und
nebenher auch noch den Schmutz auf dem Waschbecken begutachte und einen Plan
fürs Badputzen entwickle. Irgendwann kann ich dann die Kraft aller zugleich laufenden
Kopfarbeiten zu einer zusammenfügen und bin endlich Herrscherin über mich und
mein Selbst. Das ist mein Ziel, deshalb bin ich hier.