Montag, 6. Juli 2015

Gedankenfrei



Heute ist Gedankenfrei… was heißt das wohl? Habe ich keine Gedanken, lasse ich sie frei herumtrudeln oder dürfen vor allem freie Gedanken in mir sein? Sind sie noch frei, wenn sie sich in meinem Kopf zeigen? Sie werden hier zu Sätzen gebunden und sichtbar gemacht, in dem ich sie ausspreche oder aufschreibe. Vielleicht sind Gedanken lediglich Transporter für freie Ideen, frei machende Ideen… Eine davon hakt sich in mir fest, lässt sich vom Denken formatieren zu einer fragenden Erkenntnis: Wer kann mir die Freiheit geben? Wer, außer mir?
Kann ich diese Frage wirklich beantworten, wo ich selbst noch nie in einem Gefängnis fest saß, KZ-Lager nur als Denkstätten erlebte? Mein Geburtsland DDR wird heutzutage oft mit einem Gefängnis verglichen, als unfreies Land betitelt, es war ein besetztes Land. Doch überall herrschen Regeln – auch in der zur BRD verwandelten DDR: in der Schule, bei der Arbeit, im Straßenverkehr – überall wachen sogenannte Autoritäten über das Einhalten von Regeln, lassen freies Reden nur ungern zu. Es gibt Momente, da ließ ich mich davon nicht beeindrucken und redete „frei heraus“, andere Male blieb ich lieber still oder ich versuchte, fremde Ideen zu meinen eigenen zu wandeln, vielleicht auch deshalb, mich frei zu fühlen.
Mein Fazit aus dem Erlebten, aus Beobachteten und aus Erzählungen anderer Menschen bleibt: nur ich selbst kann mich als frei oder gefangen ansehen. Mir scheint, als würden die Umstände nichts damit zu tun haben. Bin nicht ich es, die Situationen so oder so bewertet? Ja, bis auf weiteres bin ich davon überzeugt, dass mich meine Gedanken in Fesseln legen oder mich Ketten ablegen lassen.
Ich schreibe das mit dem Vorbehalt „bis auf weiteres“, denn ich weiß, dass nichts fest ist, für immer und ewig Gültigkeit hat, nichts ist sicher. Eventuell komme ich in eine Situation, die mich anders denken lässt oder die dafür da ist, meine jetzige Überzeugung bis in meine tiefsten Dunkelstellen zu bringen, um mich ganz und gar von dem freien Sein ausfüllen zu können.
Wie ich mir dieses freie Sein so vorstelle und ausmale, komme ich auf eine nächste Idee, die sich wiederum nur als Frage stellen lässt: ist das Sterben, der Tod letztendlich die Möglichkeit, ins freie Sein zu kommen? Bindet mich Materie nicht immer und sind Gedanken nicht stets auch schon gegenständlich, wie ich am Anfang dieser Frei-Gedanken-Zeit feststellte?
Fragen immer nur Fragen. Ich stelle sie, um Festgesetztes ins Wanken zu bringen, um hinter Kulissen schauen zu können, also hinter-frage ich. Fragen scheinen mich mehr erkennen und lernen zu lassen, als Antworten. So kommen Fragen als Befreier in meinen Kopf, sie öffnen verschlossene Türen und lassen mich überall hin denken. Antworten setzen Grenzen. Aber auch das ist gut so, denn das grenzenlose Sein will ausgehalten sein, nichts da zum Festhalten, zum Greifen und Begreifen. So ein grenzenloser Zustand kann mich schnell verrücken lassen, mich verrückt werden lassen und bisher bin ich dafür noch nicht bereit. So nehme ich mir die Zeit für grenzenlose Fragen und komme dann flink wieder zurück zur haltgebenden Antwort, und wenn sie nur heißt: Ich weiß nicht.