Samstag, 17. September 2016

Lass doch mal die Gedanken frei!



Die Gedanken sind frei – so heißt es. Ich weiß ja, wie es gemeint ist und will dennoch anmerken, dass mir scheint, sie können mit Freiheit ähnlich wenig anfangen, wie wir Menschen. Die Fesseln der Gewohnheit sind ihnen lieb geworden, die legen sie nicht einfach ab. Beobachte ich meine Gedanken im Geheimen, lass sie frei und ohne Kontrolle, dann sehe ich, wie sie sich flink am nächsten Stammtisch versammeln mit stets denselben Themen. Probleme nennen sie sie und bauen damit ganze Paläste. Das Fundament bildet die allgegenwärtige Angst. Wände, Fenster und Türen bestehen aus Sorgen, Zweifel, Ärger und Wut, das Dach bildet sich aus Schuldzuweisung. Meine, ach so "freien", Gedanken bauen so lange, bis mein Kopf dröhnt und ich mich beschwert durch den Tag schiebe. 
Will ich das? Mitnichten!
Ich werde aufmerksamer und halte meine Gedanken an der kurzen Leine. Selbstverständlich sind sie gewitzt und entfleuchen mir immer wieder einmal, wenn ich mich zu sehr auf die Welt fokussiere oder ich zu müde bin. Häufiger jedoch habe ich sie unter Kontrolle und werde so Herrscherin über meinen Kopf. Ich puste frischen Wind in das Problemgebäude, lache das graue Fundament weg. Die Gedanken werden leichter, mein Kopf und ich auch. So kommt es, dass meine Mundwinkel langsam wieder nach oben ziehen und ich meine angeborene Fröhlichkeit freischalten kann. 
Das Wundervolle an diesem leichten Sein ist für mich, dass es sich ausbreitet und somit anderen Menschen ebenfalls Flügel wachsen lässt oder zumindest für einen Augenblick ein Lächeln ins Innere sendet. Ich sehe: Friede und Freude sind genauso ansteckend wie es vorher Angst und Wut waren. 
So will ich nach und nach gesunden und damit meine Welt infizieren.

Freitag, 19. August 2016

Unter dem bewussten Sein

Gestern Abend gab es eine kurze Filmpause, denn der Liebste wollte sich Nasch-Nachschub holen. Plötzlich befiel mich ein Hauch von Unzufriedenheit. Gerade noch rechtzeitig erwischte ich die Ursache dafür: Heckenschütze Unterbewusstsein hatte einen seiner Lieblings-Gedanken-Pfeile abgeschossen. Da ich ihn abfangen konnte, ritzte er nur einen kleinen Anfangssatz in mein Gehirn: "Wieder hast du heute nicht... ". Ich sah mir den Pfeil genauer an und erkannte den gesamten Satz. Ein alter Bekannter, der mir auf verschiedene Arten mitteilt, wie unfähig ich bin, Erwartungen zu erfüllen wegen irgendwelchen Schwadronierens, unützen Getues. Dieses Mal wollte er mich mit der Aussage treffen, ich hätte den ganzen Tag nur herumgesessen und gelesen. Und das war eine dermaßen feiste Lüge, dass ich darauf nicht hereinfallen konnte. Ich wusste, ich hatte fertiggestellt, was mich schon lange mit "das will dringend erledigt werden"-Vorwurfs-Augen anstarrte. 
Kein Grund zum ohne Frieden-Sein. Ich zerbrach den Pfeil und lehnte mich entspannt zurück.

Nun also habe ich genau gesehen, wie dieses Ding, was unter meinem bewussten Sein hockt, arbeitet. Doch das werde ich ihm immer mehr vermiesen, habe einfach keine Lust mehr auf zerstörerisches Denken. Ich fülle mich mit bewusstem Sein an, so dass weder unter, noch über, weder hinter noch seitlich von ihm Platz ist. Auf diese Weise bestimme ich meine Gedanken selbst, die ich denken will. Und selbstverständlich nehme ich mir die glücklichen, friedvollen Denkereien vor, die ohne Angriff auskommen - als meinen Anteil an einer herzlichen und heilenden Welt.

Samstag, 2. Juli 2016

Moment



Ich fühl mich verpönt und verhöhnt
bis ich mich, mit mir selbst versöhnt,
endlich frei lass,
auch keinem andern einen Stempel verpass,
dafür alle Schubladen öffne, die ich vollpackte
bis der Boden unter mir absackte
von der Schwere der Last lästiger Hast
und der Urteile über alles und jeden.

Wenn ich es schaff,
Vergangenes zu vergessen
und nicht mehr versessen zu sein
auf das Sehen vom Morgen, verblassen Sorgen
und ich bin allein,
dem Moment erlegen.

Nennt das, wie Ihr wollt,
für mich ist es Segen.

Donnerstag, 28. Januar 2016

Nichts ist Alles


Aus der Stille ertönt der Klang
das Bewegen aus der Ruhe erwacht
dem Dunkel entwächst das Licht
so kommt Alles aus dem Nicht

Sonntag, 24. Januar 2016

Tau-Tag



Seit gestern Abend schlich sich warme Luft in unser Dorf und so begann die Auftau-Zeit. Der Nebel ist heute so dicht, dass ich vom Fenster meiner Arbeitsstube aus nur bis zur Hecke schauen kann. Felder, Wiesen und Dorftümpel liegen hinter feuchtgrauen Schleiern. Die Vögel haben bis zum Mittag keine Lust zum Fliegen, sie scheinen lieber aufs Futter zu verzichten, als sich in der Nässe zu bewegen. Die Luft ist derart von Feuchtigkeit getränkt, dass ich versucht bin, sie in meine Hände zu nehmen und auszuwringen. Das große Tauen weckt meine Aufräumsucht, ich ertappe mich, noch im Bett liegend, bereits die Fichtenzweige von den Beeten abzuräumen und muss mich lauthals bremsen (natürlich nur im Kopf, denn der Liebste liegt neben mir und schläft noch): „Halt! Es ist erst Ende Januar, wir haben noch einen Wintermonat vor uns, es kann nochmal schneien und frieren!“ Dieser Ruf ist gleichzeitig Warnung als auch Trost – das gestrige Schlittschuhlaufen auf dem See hat mich im Innern aufgefüllt mit … ja, mit was eigentlich? Freude, Friede? Ja, auch, aber am meisten mit mir selbst. Und das ist ein verdammt schönes Gefühl. Ich will es wieder haben, ich will noch einmal Schlittschuhlaufen auf unserem Dorfsee, so allein mit dem Liebsten und den Rufen von Krähen; und bin somit genau wie eben der neuzeitliche Mensch ist – mir gefällt was, ich will mehr davon. Aber nein, längst weiß ich, dass es sinnlos ist, irgendetwas wiederholen zu wollen, wiederhaben zu wollen. Abgesehen davon, dass ich einfach nicht habgierig sein möchte, habe ich diese Lektion gelernt – es gibt nichts zweimal, stets ist es anders. Erwartungen drücken auf diese Wiederholung und zerquetschen sie zu Enttäuschungsbrei. Der schmeckt fade, ich mag ihn nicht. Also trickse ich meine Habgier aus und gehe in meinen Erinnerungsraum. Hier finde ich mich wieder auf dem Eis tanzend, ich fühle mich wohl, spüre, wie sich meine Füße vom Boden abdrücken und mich zum Luftwesen machen, was leicht übers gefrorene Wasser gleitet. „Und?“ sage ich zu mir, „das können wir so oft haben, wie wir wollen. Niemand kann es uns nehmen, es bleibt immer wieder wundervoll.“ Meinen Erinnerungsraum habe ich mir erst einmal frei räumen müssen von Sehnsüchten nach den vergangenen Erlebnissen und Gefühlen, denn damit behaftet war er eher Ballast, der mich schwer machte. Jetzt ist er meine Freiheit – ich kann ihn betreten, so oft ich will und kann mir Gemütszustände herausnehmen, die ich gerade brauche. In ihm ist auch die Erinnerung an die heilende Stille enthalten. Ich sitze als kleiner Fratz auf dem Treppenabsatz im Hause meiner Tante Alma. Vor mir ein vergittertes Hausfenster mit breitem Fensterbrett, auf meinem Schoß eine alte Arzttasche, gefüllt mit Ansichtskarten, die meine Tante für mich sammelte. Ich spiele Post und öffne das Fenster, meine imaginären Kunden verlangen Postkarten, holen ihre Karten ab, weil sie nicht warten wollen bis der Briefträger zu ihnen kommt oder sie kaufen Briefmarken. Die hole ich mir von der „richtigen“ Post im Dorf. Der Postbeamte hebt mir die Ränder der Briefmarkenbögen auf, einige haben sogar Aufdrucke. Dieses Spiel mit mir allein ging damals oft stundenlang, denn ich fühlte mich in einer tiefen Stille aufgehoben und geborgen. Erst als ich anfing mit Meditation erinnerte ich mich daran, dass ich die Stille schon kenne. Jetzt hole ich sie mir, wenn ich meinen Tag zu früh mit zu vielen Tätigkeiten begann und im inneren Chaos versinke, von dem Fratz auf der Treppe.
Noch bin ich nicht fertig mit diesem Raum, ich will ihn weiter frei räumen von Erinnerungen, die mich wütend machen oder mich als ungerecht behandeltes Opfer darstellen. Diese ollen Kamellen bringen mir nichts außer kranke Gedanken, Kopfschmerzen und inneren Krieg. Ich finde mir lieber die friedfertigen Gefühle. Ich sitze hier, spüre dankbar die Arbeit des Kanonenofens im Rücken, gönne dem Nebel sein Da-Sein und werde den Tag nur ein klitzekleines bisschen fürs Aufräumen nutzen, denn er ist ja nur ein Tau-Tag.

Samstag, 16. Januar 2016

Kampflos



Ich bin eine Kämpferin für Frieden und Glück
Die beim Kampf lernt, das Kämpfen zu lassen
Die Kriege zu meiden und kein Gegen zu fassen
Die es wagt, sich den Himmel zu nehmen, Stück um Stück.

Ich bin eine Kämpferin für Sanftmut und Licht
Die ihr Schwert zieht, um das Fließen zu spüren
Sich der Kraft zu schenken und die Angst zu verlieren
Die es wagt, sich den Himmel zu nehmen, auch für dich.

Und so kämpfe ich endlich, nur um mich zu versteh‘n,
und find ich mich wieder, wird das Kämpfen vergeh’n.