Freitag, 28. April 2017

Die eigne Melodie



Heute höre ich den Sprosser zum ersten Mal in diesem Jahr deutlich. Vermutlich ist er schon einige Tage hier, doch ich war mir nicht sicher, ob ich seinen Gesang hörte oder den der Singdrossel. Vermutlich braucht auch er eine gewisse Betriebstemperatur, um seine eigenen Melodien zu finden.

Ich hätte auch gern endlich meine ureigenste innere Melodie gefunden, die ich dann ohne Scheu ins Außen trage. Immerhin bin ich schon so weit gekommen zu wissen, dass es sie gibt und manches Mal höre ich einige Sequenzen im Untergrund. Doch wenn ich sie mit Macht nach draußen schmettern will, kommen Misstöne hinzu. Dann klingt meine schöne, sanfte Melodie nach Trotz und Urteil, wird zum Angriffston schlecht gespielter Fanfaren. Flink stelle ich diese Musik ab, um erst einmal wieder nach innen zu gehen, ihr besser zuzuhören, mich von ihr leiten zu lassen, damit sie stärker werden kann ohne Krampf und Muss. Vertrauen darauf, dass sie weiß, wann es Zeit ist, sie nach außen zu bringen. Geduld gehört dazu, eine Geduld, die jenseits dieser Welt liegt, denn sie nennt sich mit vollem Namen „unendliche Geduld“. Hier, in meiner Welt aus Plus und Minus, aus Fertig werden müssen und Leistung zeigen, gibt es nichts Unendliches. Alles ist endlich und hoffentlich endlich schnell erledigt. Jedoch in mir erzählt etwas von einer anderen Welt, die mehr Substanz besitzt, weil sie nichts mit Materie zu tun hat. Hier ist das Unendliche zu Haus und von hier aus entwickelt sich meine Melodie. Sie macht mich frei von Muss und Soll, befriedet mich.

Danke, kleiner Sprosser, dass du mich an sie erinnert hast.

Freitag, 7. April 2017

Das Grenzenlos



Vor langer Zeit, irgendwann und irgendwo, zog ich ein Grenzenlos und ward seither begrenzt. Begrenzte Sicht, begrenztes Handeln, es hatte mich im Griff. Das begriff ich aber ewig nicht, meinte, es sei normal, in die Schranken gewiesen zu werden, beschränkt zu sein. „Menschen können nicht fliegen“ und ich saß fest auf einer Stelle, die sich nur scheinbar veränderte. Der Schein, der einen stets nur trügt, ich sah ihn nicht und glaubte meinem Los, auf dass ich niemals losging und so an meinen Ketten hing, in meinem Grenzland gelandet, gestrandet. 
Erst als ich dort immer schwerer lebte, die Beine kaum noch heben konnte und spürte, dass ich zu stark an der Erde klebte; erst als ich mich nur durch Schmerzen fühlte, mein Herz mich nur noch kühlte, erwachte ich zu neuem Sehen. Ich sah den Schein, ich sah die Enge und die Länge meiner Grenzen, die überhaupt nicht langte für mich, für mein wahres Ich.
So nahm ich mir mein Grenzenlos und schrieb es um.
Ich machte diese Grenzen klein, um endlich grenzenlos zu sein.