Ich glaube, der Winter hat voll verschlafen. Nun ist er aus
irgendeinem Grunde wach geworden und hat sich brummelnd auf den Weg zu uns
gemacht. Schnell noch bisschen Schnee und Eis auf die Erde bringen, um dann
sofort wieder weiter zu schlafen. Winterschlaf halten.
Vielleicht hat ihn auch Frau Holle genervt mit ihrer ewigen
Totterei. „Kannst du endlich mal ein paar Minusgrade rausrücken, ist ja nicht
zu machen. Kaum schütteln wir die schönsten Schneeflocken aus den Betten,
werden sie zu pieseligem Nieselregen. Selbst Goldmarie ist schon depressiv und
das will was heißen.“ Bislang konnte der alte Winter noch mit Ausflüchten
kommen, wie: „Ja du hast eine Hilfe, ich muss das allein stemmen und bin schon
so uralt. Ich hätte gern einen Goldmarius, nicht mal Väterchen Frost aus
Russland hilft noch gern, wenn es um Westeuropa geht.“ Doch diese Sätze helfen
ihm nicht, Frau Holle ist grantig. Nicht einen Löffel Eis gibt sie ihm. Also bindet
er den Nordwind los, zieht ein paar Minusgrade aus dem Ärmel und schaut zu, wie
Frau Holle und Goldmarie eifrig ihre Betten ausschütteln.
Es könnte auch ganz anders gewesen sein. Der Winter hat einfach
zu viel damit zu tun, sein angestammtes Reich kühl zu halten. Sein geliebter
Nordpol, Grönland, die hohen Gebirgsketten der Erde – alle fangen an, sich
wärmer zu fühlen. Vermutlich hat sich der Winter nur deshalb noch einmal Zeit
für uns genommen, um uns daran zu erinnern, wie schön eine weiße
Winterlandschaft aussehen kann und wie selbst Erwachsene wieder zu kindlichen
Freuden komme, wenn sie im Schnee herumtoben oder Figuren formen. Wir sollen
das nicht vergessen und dem alten Herren irgendwie helfen.
Es gibt vermutlich noch eine ganze Reihe anderer
Erklärungen, und weitaus wissenschaftlichere, für dieses weiße Osterfest. Es
liegt stets im Auge des Betrachters, wie er oder sie sich die Welt zurechtrückt.
Ich bin bekannt dafür, sie mir immer wieder schön zu reden. Häßlich und
schlecht wird sie schon ausreichend von anderen Menschen gesehen. Nur, um das
Gleichgewicht herzustellen, braucht es immer wieder Leute, die sich die
rosarote Brille aufsetzen. Ich also nutze die terminfreien Ostertage, höre den
Geschichten zu, die sich mir erzählen und gebe sie an die Welt weiter.
Wer Ohren hat, zu hören…